Keine Antworten zu geben ist in bestimmten Situationen weitaus klüger als immer gleich alles bis ins letzte Detail zu erklären. Wenn ich im Unterricht gefragt werde, wie man dies oder jenes macht, gebe ich oft aus gutem Grund keine direkte Antwort. Es geht nicht darum mein erworbenes Wissen nicht weitergeben zu wollen …. ganz im Gegenteil. Wissen sollte niemandem gehören, es sollte verteilt genutzt, oder besser noch, entdeckt werden.
Ein großer Teil des Lehrkörpers ist fest davon überzeugt, dass es eindeutige Antworten gibt in deren Besitz sie sind. Diese Lehrerinnen und Lehrer spielen eine Art Spiel, in dem sie die Schülerinnen und Schüler dazu auffordern, die Antwort in ihrem Kopf zu erraten. Es wäre wohl besser dieses Spiel umzukehren.
Dinge für sich selbst herauszufinden hat einen hohen Wert. Selbst zu Überlegen ist die beste Art zu lernen. Aber es ist schmerzhaft und eine Menge Arbeit – die lange Ungewissheit ist unbequem.
Ziel der ganzen Unternehmung ist erkennen zu können, wann eine Regel nur eine Konvention entwickelt aus Bequemlichkeit, oder ein allgemeines Gesetz ist. Die grundlegenden Annahmen die hinter allem liegen an das wir glauben, müssen hinterfragbar bleiben. Das Erlernen von regelbasierten Lösungen, ohne sie zu verstehen, ist unvollständiges lernen.
Wissen ist die verstehende Aneignung eines Zusammenhangs, eine Vertrautheit mit Fakten und Formeln und lässt sich nur in der eigenen Auseinandersetzung aneignen. Verstehen ist die Fähigkeit die Prinzipien des Wissens an neue Gegebenheiten anpassen zu können. Lernen ist ein Prozess in dem vorgefertigte Antworten für die gestellten Aufgaben unzureichend und Lösungen vorübergehend immer unsicher sind.
Wenn man an einem Problem arbeitet agiert man ungeschickt, zögerlich oder blindlings und ohne das vollständige Ergebnis antizipieren zu können.
Studentinnen und Studenten sollten „trainiert“ werden die Regeln und Sprache ihrer Disziplin zu erlernen. Wesentlich wichtiger ist aber, dass sie ermutigt werden, trotz der Tatsache nicht alle Antworten leicht finden zu können, nicht aufzugeben.
- Sie lernen, dass die erste Antwort vielleicht nicht die Beste ist.
- Sie lernen, wie die vorangegangene Antwort ihnen dabei helfen kann, den Gedanken weiterzuentwickeln aber trotzdem nicht zur nächsten Antwort zu kommen.
- Sie lernen, dass es mehr als eine Art der Verfahrensweise oder einen Weg gibt Dinge zu interpretieren.
- Sie lernen, wie Wissen und Können Mittel und Beginn, aber kein Ende sein kann.
- Sie lernen, wie man mit Unsicherheit umgeht um trotzdem zu Ergebnissen, die nicht vorgegeben sind, zu kommen.
- Sie lernen, dass man für die wichtigen Dinge auch Risiken eingehen muss.
- Sie lernen, wie man immer und überall nach Antworten suchen kann/muss.
- Sie lernen nichts als heilig und alles als heilig zu betrachten.
- Sie lernen, wie man vom Ufer abstößt um in die Mitte des Flusses zu gelangen.