Die Steigerung der Sicherheit zur Verhinderung von Verbrechen durch Videokameras hat zwar einen unmittelbaren aber keinen nachhaltigen Effekt. Videokameras an jeder Straßenecke, vernetzte Datenbanken und Drohnen, die Demonstranten bei Großereignissen aus der Luft verfolgen – moderne Technologien sollen Gefahren schon im Voraus erkennen, um so die Welt sicherer machen. Das ist ein teurer und hoffnungsloser Ansatz.
Großbritannien gilt als das Land mit den weltweit meisten Überwachungskameras. Über eine Million Videokameras gibt es dort im Einsatz, allein in London befinden sich über 10.000 Kameras. Doch auch dort ist die Aufklärungsrate von Verbrechen laut diversen britischen Polizeiberichten nicht gestiegen. Die Aufklärungsrate für Verbrechen in Stadtteilen mit den meisten Überwachungskameras liegt sogar unter dem Durchschnitt.
Eine „Echtzeitüberwachung“ ist bei diesen Größenordnungen nicht möglich. Und hier kann man nur sagen: Glücklicherweise. Denn eine derartige Echtzeitüberwachung würde praktisch jeden einzelnen Bürger unter Generalverdacht stellen – und im Ernstfall auch nicht bei der Verhinderung eines Verbrechens nützen.
Der einzige Ausweg wäre die Auswertung von automatischen Systemen vornehmen zu lassen. Doch genau hier beginnt ein äußerst heikler Bereich: Wie kann eine Maschine erkennen, welches Verhalten als „abnormal“ bezeichnet werden kann und welches der „Normalität“ entspricht. Wie kann eine Maschine zwischen einem zur Weihnachtszeit vom Punschtrinken am Christkindlmarkt bedienten, in der U-Bahn herumtorkelnden Menschen von einem Sextäter oder Smartphone-Räuber unterscheiden? Das ist derzeit nicht möglich – und wäre auch äußerst gefährlich. Ein Computer registriert das Gesicht eines „Verdächtigen“ und grast dann automatisch das Bilderpool der Polizei sowie soziale Netzwerke oder das World Wide Web ab, um weitere Informationen zu einem zu sammeln und Personen würden vielleicht völlig unbegründet in alltäglichen Situationen ins Visier kommen.
Durch diese Entwicklung kann die Sicherheit nicht erhöht werden. Was sich aber definitiv ändert sind die Grenzen in unserem Kopf die uns mental beeinflussen. Noch vor einigen Jahrzenten waren die Grenzen um uns herum deutlich sichtbar als Hindernisse der Freiheit zu erkennen. Durch die technologische Entwicklung wandern die Grenzen in unsere Köpfe und gewinnen immer stärkeren Einfluss auf unsere alltäglichen Handlungen.
Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass ausschließlich technisches Hochrüsten Sicherheit bringt. Videokameras in U-Bahn-Stationen und Bahnhöfen erhöhen nicht die Sicherheit der Passagiere, sondern sind bestenfalls bei der Strafverfolgung hilfreich. Anschläge kann man mit Videoüberwachung nicht verhindern. Der starke Fokus auf die Verfolgung zeugt eher von archaischen Rachegedanken, als es hilft, die Welt für alle sozial verträglicher und lebenswerter zu machen.
Auf dem Weg zu einer scheinbaren Erhöhung der Sicherheit werden Grundrechte ignoriert, wie sie schon vor tausend Jahren in der „Magna Charta“ festgehalten wurden. Auch Teile des Völkerrecht geraten schnell in Vergessenheit.
Aufgrund der Angst vor terroristischen Anschlägen oder Gewaltverbrechen verschiebt sich die Sicherheitspolitik zunehmend in Richtung Prävention. Dazu gehöre es, so umfassend wie möglich Daten der Bürger zu sammeln und daraus Muster und Profile zu erstellen. Einmal eingeführt werden die Maßnahmen zum Kampf gegen den Terror zum Ahnden aller möglichen Strafdaten verwendet. Damit wird Faustrecht zur alltäglichen Rechtspraxis. Man beschäftigt sich mit einer bürokratischen Imagination möglicher zukünftiger Bedrohungen, anstatt aktuelle Probleme anzugehen. Die Beschwörung potenzieller aber nicht unbedingt realer Gefahren schürt wiederum neue Ängste. Nutznießer der Angst in der Bevölkerung sind die Hersteller von Hightech-Überwachungssystemen sowie Politiker. Es ist eine alte Weisheit: Leute die Angst haben, sind besser regierbar.
Die Überlegungen zeigen deutlich, dass Überwachung nicht das Allheilmittel sein kann, so wie es manche Politiker propagieren. Außerdem gibt es dadurch automatisch auch immer eine gewisse „Neigung zu Missbrauch“. Viel schwerer wiegen aber die Konsequenzen, welche die Einführung von immer mehr Überwachung auf unser Verhalten hat.