Stärker vernetzt aber noch mehr allein


Stärker vernetzt aber noch mehr allein? Wir sind erfreut über Nachrichten die uns unterstützen. Diese Kurznachrichten sind wie Umarmungen. Ein zentrales Paradoxon. Wir sind erfreut über SMS-Nachrichten die uns voneinander entfernen.

In den aufregenden Tagen als das Internet jünger und langsamer war, experimentierten wir mit Chaträumen und virtuellen Onlinegemeinschaften. Wir erforschten unterschiedliche Seiten von uns selbst. Und dann trennten wir die Verbindung. Begeisternd war vor allem die Vorstellung, dass wir das, was wir in der virtuellen Welt über uns und unsere Identität gelernt hatten, nutzen konnten, um ein besseres Leben in der realen Welt zu leben.

Heutzutage sind wir immer online, wir schlafen mit unserem Smartphone, die Vorstellung einer Trennung vom Internet ist surreal und angsteinflößend. Was ist passiert? Ich bin immer noch begeistert von Technologie, aber ich glaube, dass wir uns von ihr an Orte führen lassen, wo wir nicht hinwollen.
Unsere kleinen Helfer, diese kleinen Dinger in unseren Taschen, sind so mächtig, dass sie nicht nur verändern, was wir tun, sondern sie verändern auch, wer wir sind. Einiges davon, was wir heute mit unseren Geräten tun, sind Sachen, die wir noch vor ein paar Jahren seltsam gefunden hätten oder gar störend:
Leute senden SMS oder E-Mails während Vorstandssitzungen. Sie schreiben SMS und besuchen Facebook während der Schulstunde, während Vorträgen, eigentlich während aller Besprechungen. Ich höre von neuen Fertigkeiten, Augenkontakt herzustellen, während dem schreiben einer SMS. Eltern schreiben SMS und E-Mails beim Frühstück und Abendessen um sich bei ihren Kindern zu beschweren, dass sie nicht die volle Aufmerksamkeit bekommen. Wir sind zusammen, während wir nicht zusammen sind. Wir entfernen uns von unseren Gefühlen und tauchen ab in unsere Mobiltelefone.

 

Warum ist das wichtig? Es ist mir wichtig, weil ich denke, dass wir uns selbst eine Falle stellen – bezogen auf die Art, wie wir Beziehungen zueinander herstellen, aber auch auf die Art, wie wir mit uns selbst umgehen und auf unsere Fähigkeit zur Selbstreflexion. Wir gewöhnen uns an eine neue Art, gemeinsam allein zu sein. Was uns am wichtigsten ist, ist Kontrolle darüber, wohin wir unsere Aufmerksamkeit richten. Wir möchten an einer Besprechung teilnehmen, aber nur bei den Teilen aufmerksam sein, die uns interessieren. Einige denken, das ist eine gute Sache. Aber es könnte darin enden, dass wir uns voreinander verstecken, sogar dann, wenn wir alle permanent miteinander verbunden sind.

Über alle Generationen hinweg sehe ich Menschen, die nicht genug voneinander bekommen. Aber man möchte sich am liebsten in einem kontrollierbaren Maß auf Distanz nahe sein. Nicht zu nah, nicht zu weit weg, gerade richtig. Aber was sich gerade richtig für eine Führungskraft im mittleren Alter anfühlt, kann ein Problem für einen Jugendlichen sein, der Beziehungen von Angesicht zu Angesicht entwickeln muss. Sehnsüchtig wird der Tag erwartet an dem man lernt eine Unterhaltung zu führen. Diese findet in Echtzeit statt und es ist schwer zu kontrollieren, was gesagt wird. Das ist die Quintessenz. SMS schreiben, E-Mails und Interneteinträge, all diese Dinge können wir bearbeiten, und das heißt, wir können löschen, und das heißt, wir können retuschieren, das Gesicht, die Stimme, den Körper – nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel, gerade richtig.
Menschliche Beziehungen sind reichhaltig, chaotisch und fordernd. Wir bereinigen sie mit Technik.

Aber summieren sich nicht all diese kleinen Bruchstücke der Onlinekommunikation zu einem großen Gebäude einer wirklichen Unterhaltung? Das Verbinden von Teilen mag für das unaufdringliche Sammeln von Informationsteilchen funktionieren, es mag funktionieren für Nachrichten wie „Ich denke an dich“, oder gar um zu sagen „Ich liebe dich“, aber es funktioniert nicht für das gegenseitige Kennenlernen, um einander zu verstehen und zu erfahren. Wir benutzen die gegenseitige Unterhaltung, um zu lernen, wie wir Gespräche untereinander führen. Eine Flucht vor Gesprächen ist von Bedeutung, weil sie unsere Fähigkeit für Selbstreflexion gefährden kann. Für heranwachsende Kinder ist diese Fertigkeit das Fundament ihrer Entwicklung.

 

Immer und immer wieder höre ich, „Ich würde lieber eine SMS schreiben als zu reden.“ Und ich sehe, dass Menschen sich so sehr daran gewöhnen, bei wirklichen Gesprächen zu kurz zu kommen, sich daran gewöhnen, mit so wenig auszukommen, dass sie fast bereit sind, ganz auf Menschen zu verzichten. Viele haben den Wunsch, dass eines Tages eine fortgeschrittene Version eines digitalen persönlichen Assistenten, mehr wie ein bester Freund sein wird, jemand, der zuhören wird, wenn andere es nicht tun. Ich glaube, dass dieser Wunsch eine schmerzhafte Wahrheit reflektiert. Das Gefühl, dass niemand mir zuhört, ist sehr wichtig in unserer Beziehung mit Technik. Das ist der Grund, warum es so reizvoll ist, eine Facebookseite zu haben oder einen Twitter-Feed – so viele automatische Zuhörer. Und das Gefühl, dass niemand mir zuhört, bringt uns dazu, mehr Zeit mit Maschinen zu verbringen, die sich scheinbar um uns kümmern.

Wir entwickeln Roboter die speziell dafür konstruiert sind, Gefährten zu sein – für Senioren, für unsere Kinder, für uns. Haben wir so sehr das Vertrauen darin verloren, dass wir füreinander da sein werden? Oft versuchen wir unserem Leben Sinn zu verleihen, mittels einer Maschine, die keine Erfahrung mit dem Verlauf eines menschlichen Lebens hatte. Wir erleben vorgetäuschtes Einfühlungsvermögen so als wäre es das Original. Wie sind wir hier bloß hergekommen?

Ich vermute, es liegt daran, dass die Technologie uns dort am meisten anspricht, wo wir am verwundbarsten sind. Und wir sind alle verwundbar. Wir sind einsam, aber wir haben Angst vor Intimität. Und so entwickeln wir von sozialen Netzwerken bis hin zu sozialen Robotern Technologien, die uns die Illusion von Begleitung geben, ohne die Forderungen einer Freundschaft. Wir wenden uns der Technologie zu, um uns in einer Art und Weise verbunden zu fühlen, die wir bequem kontrollieren können. Dabei geht es uns aber gar nicht gut und kontrollieren können wir nur sehr wenig.

 

Heutzutage verändern die mobilen Geräte unser Bewusstsein indem sie uns befriedigende Fantasien bieten. Erstens können wir unsere Aufmerksamkeit genau dort hinlenken, wo wir sie benötigen. Zweitens werden wir immer gehört. Drittens müssen wir niemals allein sein. Gerade die dritte Idee, dass wir nie allein sein müssen, ist der Schlüssel zur Veränderung unserer Psyche. Denn es ist so einfach in Kontakt zu treten. Die Kommunikation mit der ganzen Welt ist nur einen Klick entfernt. Die Verbindung verleiht einem zugrundeliegenden Problem zwar Ausdruck, löst es aber nicht. Mehr noch: Die ständige Anbindung verändert die Art, in der Leute von sich selbst denken. Es ist der Grundstein für ein neues Sein.

Wie kommen wir aber von Verbindung zu Isolation? Man wird isoliert, wenn man die Möglichkeiten des Alleinseins, die Fähigkeit, für sich selbst zu sein, nicht kultiviert, um sich zu sammeln. Im Alleinsein findet man sich, damit man die Hand zu anderen Leuten ausstrecken und wahre Bindungen formen kann. Wir können dadurch Ereignissen auch wieder neue Wertigkeiten zuordnen. Wenn wir die richtige Balance, zwischen der Aufnahme aller einströmenden Informationen aus dem Internet und Pausen nicht finden können, dann wissen wir am Ende nur wie man einsam ist.

Ich bin ein begeisterter Technik-Mensch aber es ist höchst an der Zeit für eine Reflexion. Konversation darüber, wo unser aktueller Gebrauch der Technologie uns hinbringen, und was es uns kosten könnte. Technologien verschaffen uns unglaubliche Möglichkeiten und versetzen uns auch immer wieder gleichsam in Erstaunen und Entsetzen. Es ist einfach an der Zeit darüber zu sprechen. Wir sind mit digitaler Technologie aufgewachsen und halten sie somit für erwachsen. Aber sie ist noch in den Kinderschuhen. Es gibt noch viel Zeit für uns unseren Gebrauch zu überdenken. Ich schlage nicht vor, dass wir uns von unseren elektronischen Geräten abwenden, wir sollten einfach eine bewusstere Beziehung zu ihnen entwickeln.

 

Ich sehe da einige erste vielversprechende Schritte. Pausen wieder als positive Unterbrechung des Online-Alltags erleben lernen. Aktiv Raum für Offline-Aktivitäten schaffen. Orte (wie etwa Esszimmer) definieren an denen mobile Geräte unerwünscht sind und direkte Kommunikation gefördert wird. Das Wichtigste ist, dass wir uns wirklich zuhören müssen, und zwar auch den langweiligen Teilen einer Konversation. Denn wenn wir ins Stocken kommen oder zögern oder uns die Worte ausgehen, dann enthüllen wir uns einander.
Wir haben unseren Ersatzfantasien schon genug Tribut gezollt. Es ist an der Zeit uns auf die vielen, vielen Möglichkeiten zu konzentrieren Technologie bewusst in unseren Alltag, unsere Lebensgemeinschaften, unsere Politik und dem Zusammenleben auf unserem Planeten zu inkludieren. Sprechen wir darüber, wie wir digitale Technologie verwenden können, um aus diesem Leben das Leben zu machen, das wir lieben.